Der Schatz in der Schale
Als Vitamin B1
führt Thiamin die große Gruppe der
B-Vitamine an. Sie alle sorgen unter
anderem dafür, dass wir bei regelmäßiger
Zufuhr über ein Robustes Nervenkostüm
verfügen und unsere Zellen optimal
funktionieren. Im Organismus ergänzen
und verstärken sich die B-Vitamine
gegenseitig. Doch jedes einzelne hat
auch seine ganz spezielle Aufgabe:
Thiamin wandelt beispielsweise Stärken
und Zucker in unserem Frühstücksmüsli
direkt in Energie um. Es spielt im
Stoffwechsel der Kohlehydrate und in der
Energiegewinnung eine zentrale Rolle.
Thiamin ist Bestandteil der äußeren
dunklen Getreidehaut. Das war lange Zeit
nicht bekannt. Als man jedoch dazu
überging, Getreide zu schälen, weil es
sich so besser verarbeiten ließ und
optisch ansprechender wirkte, zeigte
sich auf dramatische Weise, was dem
geschälten Korn fehlt: Thiamin.
Insbesondere in Ländern, in denen Reis
als überwiegendes Grundnahrungsmittel
diente, litt die Bevölkerung unter der
Mangelkrankheit Beriberi. Schwere
Schädigungen der Nerven und Muskeln, des
Gehirns und Herz-Kreislauf-Systems
führten bis zum Tod. Diese Thiamin-Mangelkrankheit tritt noch heute
in Entwicklungsländern auf.
Die
westliche Welt hat zwar ebenfalls eine
vorliebe für polierten weißen Reis und
Weißmehl entwickelt – „Der
Thiamin-Bedarf lässt sich hierzulande
jedoch vor allem durch reichlich
vorhandenes Fleisch, Milch und
Milchprodukte gut decken“, sagt
Professor Klaus Pietrzik,
Vorstandsvorsitzender der Gesellschaft
für angewandte Vitaminforschung e. V. in
Bonn.
Bereits eine Portion Schweinefleisch
deckt den Tagesbedarf eines gesunden
Mannes von etwa 1,3 Milligramm Thiamin.
„Schweinefleisch sollte man aber wegen
seines hohen Fettgehalts nicht zu häufig
essen“, gibt der Experte zu bedenken.
Den Tagesbedarf eines gesunden
Erwachsenen können beispielsweise auch
etwa 200 Gramm gekochte Kartoffeln oder
die gleiche Menge an
Frühstücks-Haferflocken decken.
Der
Thiamin-Bedarf bei Kindern ist recht
unterschiedlich. Er pendelt sich bei
jungen Männern etwa bei 1,3 mg und bei
jungen Frauen um 1 mg ein.
Thiamin ist wie alle B-Vitamine
wasserlöslich und überschüssiges Vitamin
wird über den Urin ausgeschieden. Wenige
Gramm Thiamin hält der Körper jedoch
zurück und speichert sie über mehrere
Wochen. „Man sollte daher zwar auf eine
regelmäßige Thiamin-Zufuhr achten. Doch
das heißt nicht, dass man sich jeden Tag
exakt die Bedarfsmenge zuführen muss.
Das kann mal mehr sein, mal weniger“,
erläutert Professor Pietrzik.
Mit
einer ausgewogenen Ernährung, in der
thiaminhaltige Vollkornprodukte nicht
fehlen sollten, lässt sich der Bedarf in
der Regel decken. Bei hohem
Alkoholkonsum oder einseitigen Diäten
ist ein Vitamin B1 Mangel jedoch
vorprogrammiert. Er kann sich zunächst
in Form von sinkender
Leistungsfähigkeit, Reizbarkeit,
Depressionen, Kopfschmerzen und
Müdigkeit äußern.
Thiamin ist hitzeempfindlich.
Vitamin-B1-haltige Nahrungsmittel wie
Haferflocken, Vollkornteigwaren,
Trockenobst, Nüsse, Erbsen, Blumenkohl
und Fenchel sollte man daher kühl und
dunkel lagern. Gemüse am besten mit
wenig Wasser im Dampfkochtopf garen.
Ein Großteil der Vitamine bleibt so
erhalten. Beim Kochen gelangen viele
wertvolle Vitalstoffe ins Kochwasser,
das man für Soßen und Suppen
weiterverwenden kann.
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